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Südkurier 24.03.2006

10 Vereine für Marktbrunnen (Ausgabe vom 24.3.2006, Marktbrunnen)

"Bürgerwettbewerb"

Ob die zukünftige Spitze des Villinger Zentrums ein Blumentopf mit einer regionalfremden Pflanze ziert, deren Stellung vielleicht auf dem vermuteten Geblütsrecht der Zähringer gründet mit all ihrer Bedeutung, oder ob weitere Vorschläge eingeholt werden, wird letztendlich der Gemeinderat oder Ausschuß entscheiden, denn die Realisierung der bedeutungsvollsten und symbolhaftesten Stelle Villingens, bleibt nach meiner Auffassung dem obersten Organ der Stadt vorbehalten.

Die formale Ausgestaltung des Zentrums einer Stadt führt jedoch auch zu ihrer Identität. Dies kann man in New York in der Höhe der Wolkenkratzer ablesen, in Karlsruhe im Schlossturm, in Freudenstadt im Marktplatz etc. Villingen bedarf jedoch noch einer signifikanten Formfindung für ihr Zentrum.

Die Identität einer Stadt beschränkt sich aber nicht nur auf einen gewissen Zeitabschnitt, z.B. auf das Jahr 1796, sondern sollte, wenn möglich, einen großen Zeitraum ihrer Geschichte, aber auch ihrer möglichen Zukunft abdecken.

Es gibt für Villingen einige Ereignisse die sich für eine Thematisierung eignen würden, um das einmalige Zentrum dieser Stadt zu markieren. Dazu gehört in erster Linie die Marktrechtsurkunde von 999 und ihre gesellschaftliche Bedeutung für die Stadt, die zahlreichen Handwerkerzünfte und der daraus gewachsene Handel aus dem Mittelalter der bis heute die Stadt prägt, die Fasnet die bis in das Jahr 1584 zurückreicht, die industrielle Entwicklung der Moderne (Kienzle, Saba, etc.) und die Thematisierung des Straßenkreuzes das noch einer entscheidenden inhaltlichen Formmarkierung bedarf. Außerdem stellt sich die Frage, ob das Bertholddenkmal am Rande bzw. außerhalb der Kernstadt steht, oder ob dieser für Villingen bedeutende Mann nicht in das Zentrum gehört.

Dies wären einige Alternativen zu einem Marktbrunnen, dessen Funktion in dieser Form (Pferdetränke, Waschtrog), über die formale Ausgestaltung nicht mehr gegeben ist. An jeder Stelle in Villingen wären eine Rekonstruktionen denkbar, da die gegenwartsbezogenen Architekturantworten, nicht an die Qualität der Vergangenheit reichen. Aus denkmalschützerischer Sicht sind solche Rekonstruk-tionen aber bedenklich, da in diesem Fall, keine bedeutenden Orginalteile vorhanden sind. Aber gerade das Zentrum einer Stadt darf nicht nur in die Vergangenheit weisen, sondern muss die Zukunft den Menschen visionär vor Augen führen. Dies kann nur gelingen wenn die Formfindung für dieses Zentrum in der Gegenwart liegt und auch ein allumfassendes Symbol darstellt. Eine Marktbrunnenrekonstruktion liegt aber in der Vergangenheit. Erst dann, wenn es keine bessere Lösung für diese, städtebauliche einmalige Stelle gibt und dies bezieht sich auf den ganzen süddeutschen Raum, sollte man einer Rekonstruktion nicht mehr verhalten gegenüber stehen, denn eine Rückwendung in die Vergangenheit, wäre eine Kapitulation vor der Gestaltung der Zukunft, mit einem möglichen innewohnenden Formfindungsprozess. Diesen Weg darf Villingen erst gehen, wenn das Ideenpotential der Villinger Bevölkerung nicht ausreicht, Entwurfsarbeiten zu fertigen, z.B auch von Schülern, mit einer ausgewählten The-menvorgabe, die unmittelbar mit der Geschichte Villingens verbunden sind.

Zur Lösung dieser einmaligen Stelle würde sich deshalb ein Bürgerwettbewerb eignen. Die Realisierung des 1.Preises muss von allen interessierten und beteiligten Institutionen (Vereine etc.) getragen und finanziell (Spendensammlungen etc.) umgesetzt und unterstützt werden. Gerade die Identifizierung der Vereine mit der Problematik und der Durchführung des "BÜRGER"-Wettbewerbs würde eine größtmögliche Identität und Verankerung der Bürger mit dem Wettbewerbsergebnis sicherstellen. Künstler, Designer, Architekten, könnten zwar auch am Wettbewerb teilnehmen, müßten sich aber messen lassen am Ideenpotential der "normalen" Villinger Bevölkerung.

Die eigentliche städtebauliche Problematik liegt zwar nicht in der Formfindung des Villinger Zentrums, sondern in der Wandlung der kleinteiligen Parzellenstruktur mit den einmaligen Häuserfronten, hin zu großformatigen pseudo-heimatlichen stadtbild-missachtenden Wirtschaftsgebilde wie sie in der Anker- Thomas-, Turm-, und Paradiesgasse neuerdings mit artfremden Architekturelementen, zu sehen sind.
Dieser Prozess wurde eingeleitet mit der Bebauung der Blume-Post (Zusammenfassung mehrerer Grundstücke) und hält bis heute an. Desweiteren durch einen teilweisen Ersatz bestehender Gebäudestile durch pseudo-moderne Bauteile im selben Objekt. Dies ist das tatsächliche Problem in Villingen.

Die schleichende Zerstörung eines hochwertigen Gesamtstadtesemble.

Vielleicht hilft eine Diskussion um Villingens Zentrum was Villingen tatsächlich ist. Nämlich Kunst!! Stadtbaukunst in allerhöchster Güte!!
Nicht irgendeine X-beliebige gewachsene Stadt, sondern eine Planstadt des Mittelalter, deren Form und Güte bis heute "NOCH" ablesbar ist.

Der Wettbewerb insbesondere bei Bauideen hat immer mit zu den besten Lösungen geführt, wenn geeignete Themen vorgegeben werden.

Die Kapitulation einer ideenlosen Gegenwart vor einer zu gestaltenden Zukunft in einem Einzelobjekt wäre an dieser Stelle für diese einmalige Stadt nicht angemessen. Deshalb Bürgerwettbewerb!

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